Führung ist die Kunst den Schlüssel zu finden, der die Schatztruhe des Mitarbeiters aufschließt, so spricht Anselm Grün sehr weise in seinem Buch „Menschen führen – Leben wecken“. Allerdings müssen wir in der Betrachtung von „Leadership 4.0“ wohl drei Schlüssel finden: jenen zur Schatztruhe des Mitarbeiters, jenen welcher die Schatztruhe der Technologie öffnet und den Schlüssel zum Schatz der „Vernetzten Welt“. Die digitale Welt bietet jetzt noch undenkbare Möglichkeiten mit vielen Chancen und Gefahren. Sie fordert uns als Menschen und Führungskräfte heraus! Wozu?
Was bedeutet Leadership 4.0?
Die deutsche Industriellenvereinigung warnt: Industrie 4.0 braucht Leadership 4.0. Damit gemeint ist ein Blick, der weit über Produktion und herkömmliche Dienstleistungsangebote hinausgeht. Produktion, intelligenter und schneller, aber eben ganz im Sinne tradierter Wertschöpfungsketten ist zu wenig. Alte Wirtschaftsstrukturen brechen auf, Wertschöpfung geschieht künftig in einem Netz, in dem jeder mit jedem direkt verbunden ist. Warum sollten Produkte vom Produzenten über einen mehrstufigen Vertrieb zum Abnehmer getragen werden? Wenn sich zukünftig durch das Internet der Dinge die Pakete von China selbständig zum Empfänger nach Innsbruck disponieren?
Warum soll ich Talente und Wissen in meiner Firma mühsam aufbauen, wenn ich Wissen und Know-how aus der ganzen Welt ganz einfach über Länder und Zeitzonen hinweg zukaufen kann?
Oder warum sollte ich nicht mein Haus 3D drucken lassen?
Warum sollte ich nicht sogar Kreativ- und Beratungsleistungen von Maschinen durchführen lassen, wenn doch schon längst bewiesen ist, dass künstliche Intelligenzen auch kreative und unerwartete nicht-programmierbare Ergebnisse liefern?
Paradigmenwechsel im Führungsverständnis
Die für so viele Jahre gültige Formel: „je höher die Qualifizierung, desto höher der Wert des Jobs im Unternehmen“ gilt nicht mehr automatisch. Führungskräfte werden vor die Frage gestellt: Welche Jobs können von künstlichen Intelligenzen übernommen werden? Welche werden auch zukünftig besser von Menschen ausgeführt?
- Wissen bedeutet nicht mehr automatisch Vorsprung, die Konkurrenz befindet sich im Netz! Davon kann jeder Lehrer ein Lied singen, wenn er der Klasse etwas vorträgt und die Schüler zeitgleich googeln, ob der Lehrer richtig liegt.
- Autorität kommt nicht mehr ausschließlich durch Hierarchie, Wissensvorsprung oder Schnelligkeit. Was also gibt mir Macht in der Führung? Woher nehme ich meine Autorität?
- Der Dienstleistungssektor wird von neuen Mindsets wie zum Beispiel „Benutzen statt Besitzen“ und optimierten, individualisierten Angeboten geprägt. Erfolgreich ist nicht wer verkauft, sondern wer Verhaltensänderungen beim Konsumenten bewirken kann. Wenn wir also bei einer Reise in die fremde Stadt nicht zuerst ein Hotelzimmer über Buchungsportale suchen, sondern vorrangig in Betracht ziehen, ob wir über AirBnB buchen und anstatt an Taxi oder U-Bahn zuerst an Uber denken.
Speed of Change
Fast könnten wir uns ein bisschen wie der Igel im bekannten Märchen „Hase und Igel“ fühlen. Er rackert sich ab und wird doch immer wieder von der schrillen Stimme des Hasens mit seinem „bin schon da“ demotiviert. Immer, wenn wir glauben, dass wir eine Innovation verstanden haben, sie beherrschen und in unseren Alltag integriert haben, gibt es schon wieder etwas mit dem Touch von „Neuer“ und „Passender“.
ZUWENDUNG
Ein interessantes Beispiel stellt ein Young Leaders Programm in Toronto (CA) dar, dem ich über die Schulter blicken durfte. Dieses Programm bildet junge Menschen unter 30 zu Führungskräften aus, mit dem Anspruch, diese Jungen fit zu machen für die Grand Challenges unserer Zeit. Fokussiert wird in der Ausbildung auf:
- Ideen Kreation
- Ideen Validation (Bewertung)
- rasches Erstellen von Prototypen, wobei es egal ist, ob es sich um Produkte, Apps oder Dienstleistungen handelt
- last but not least auf Fähigkeiten im Umgang mit auftretenden Problemen
Man könnte also sagen: diese jungen Menschen werden ausgebildet für Zuwendung – sich mit voller Kraft und großer Neugierde dem zu zuwenden, was auf uns zukommt – auf unsere Zukunft.
DIGITALES VERSTÄNDNIS
haben und es kontinuierlich weiterentwickeln. Was kann die Maschine besser als der Mensch? Wertschätzend gegenüber den Möglichkeiten der Technologie bleiben. Und auf diese Weise so lange Pilotin und Selbstentscheider bleiben, wie nur irgendwie möglich. Dazu gehört auch das Beherrschen von sozialen Medien, da diese Kommunikationskanäle auch im Führungsalltag eine große Rolle spielen werden.
FACILITATION
– eine herausragende Fähigkeit des Zusammenführens. Wenn Unternehmensgrenzen verschwimmen, wenn Konsumenten zum Mitproduzenten werden und Konkurrenten plötzlich für Kooperationen gewonnen werden müssen – dann brauchen wir Gastgeber für Menschen UND Lösungen. Dass dazu auch ein Rahmen und geeignete Methoden angeboten werden, um den beteiligten Menschen und der Sache bestmöglich gerecht zu werden, ist selbstverständlich. Da werden Momente geschaffen, in denen tatsächlich Neues entsteht, wo nicht nur vorher durchdachte Konzepte diskutiert und Standpunkte verteidigt werden. Wo Zuwendung nicht nur auf die Zukunft gerichtet ist, sondern auch dem Gegenüber ein ehrliches Willkommen entgegen strahlt.
Hinter all dem steht wohl ein sich seines SELBST bewusstes Individuum, das sich über fixe Zuschreibungen und seine Grenzen ebenso hinauswagt, wie technologische Fortschritte Grenzen sprengen.
Ein Individuum,
- das mehr ist als denkend, mehr als kreativ, mehr als analytisch.
- das sich seiner Einzigartigkeit nicht ausschließlich durch Abgrenzung gewahr ist.
- das mit offenem Herzen, mit strahlenden Augen und der Fähigkeit der Zuwendung möglich macht, dass sich Menschen auf sich selbst und aufeinander einlassen. Und dabei Lösungen entwickeln, die für den Einzelnen und das größere Ganze einen Fortschritt darstellen.
Eine Führungskraft, die als Individuum im Orchester der Menschheit die Herausforderungen der digitalisierten Zukunft anpackt.
Leadership 4.0 braucht also auch einen 4. Schlüssel – den zum eigenen Herzen.
Sie haben Fragen oder Anregungen zum Thema Zukunftsentwicklung oder der Entwicklung von Führungskräften?
Dann freue ich mich über einen Kommentar von Ihnen!
Liebe Frau Anita:
Ich stimme hnen in vielem, was sie schreiben, zu! Möchte aber doch auf zwei mir wichtig erscheinende Punkte hinweisen, die in Ihrem Artikel nicht vorkommen: es bedarf einerseits auch der Fähigkeit von heutigen, vorwiegend älteren Führungskräften, zu erkennen, dass ein anderer Führungsstil notwendig ist! Und zum zweiten die Bereitschaft, Macht abzugeben und Vertrauen in die MitarbeiterInnen zu haben. Beides fehlt mir erfahrungsgemäß sehr.
Sehr geehrte Herr Dr. Husak! vielen Dank für Ihre Ergänzung – ich könnte Ihnen nicht im Geringsten widersprechen. Ist dies doch auch der Alltag, mit dem meine Kunden kämpfen: Altvertrautes, für gut Befundenes los zu lassen und durch Neues, noch wenig Erprobtes zu ersetzen. Übrigens kämpfe ich auch als Chefin und als Privatperson immer wieder mit Loslassen von alten und Eintrainieren von neuen Verhaltensweisen – Einsicht und Verständnis wären vollkommen da 😉 – aber der Alltag hat seine eigenen Dynamiken. beste Grüße Anita Hussl-Arnold