Mit Ehrlichkeit fängt alles an
Felix Bartels ist seit 2023 Chief Marketing Officer bei der Serviceplan Group, einer der größten unabhängigen, inhabergeführten Werbeagenturen Europas mit über 40 Spezialagenturen und 5500 Kolleg*innen weltweit. Über Freuden und Herausforderungen als Führungskraft in der Agenturbranche haben wir mit ihm im neuen Leaderstalk gesprochen.
Susanne Plaschka: Das Schlagwort Nachhaltigkeit ist aktuell in aller Munde. Laut einer Studie deiner Agentur geht der Peak nun in Richtung soziale Nachhaltigkeit. Was verstehst du darunter?
Felix Bartels: Für mich persönlich bedeutet soziale Nachhaltigkeit in allererster Linie Transparenz und Mitbestimmung. Dass man den Menschen, mit denen man arbeitet oder die Menschen, an die man etwas verkaufen will, eine Botschaft mitgibt und sie miteinbezieht.
Da schwingen Respekt, Anerkennung und unterschiedliche Meinungen mit. In weiterer Folge bedeutet soziale Nachhaltigkeit auch die Authentizität, nur über das zu reden, was man auch wirklich meint und halten kann.
Aktuell ist soziale Nachhaltigkeit noch ein Alleinstellungsmerkmal, weil das Thema ökologische Nachhaltigkeit als Hygienefaktor mittlerweile eigentlich selbstverständlich ist.
Susanne Plaschka: Was sagst du deinen Kunden, wie sich Transparenz und Authentizität realisieren lassen?
Felix Bartels: Ich glaube, Transparenz und Authentizität funktionieren nur mit dem ehrlichen Willen, etwas zu bewegen und nicht etwas zu verkaufen. Diesen Willen stärkt man zum Beispiel dadurch, dass man das stärkt, was bereits an Gutem da ist. Das gibt Motivation und das hilft meistens die Authentizität zu fördern.
Man kann einen schönen Claim machen oder eine schöne integrierte Kampagne, das gehört alles mit dazu, aber es kommt letztlich drauf an, wie man ein Thema auf allen Kanälen vorlebt. Intern zu den Mitarbeitenden, Freunden, Bekannten, extern zu den Kunden, Partnern, im Presseinterview etc. Und was man vorlebt und ob das authentisch ist, ist das, was man im Endeffekt spürt.
Susanne Plaschka: Wie haltet ihr es mit der sozialen Nachhaltigkeit bei euch im Unternehmen? Das spielt ja nicht zuletzt für die Glaubwürdigkeit eine Rolle.
Felix Bartels: Im Kern geht es um die Frage, wie wir uns als Unternehmen verhalten. Zum Beispiel welche Pitch-Anfragen wir annehmen. Oder ob wir auch unseren Kreativen die Freiheit erlauben, Projekte abzulehnen, hinter denen sie nicht persönlich stehen.
Abgesehen davon ermutigen wir Kolleg*innen sich bei Initiativen zu beteiligen, bei denen tolle Projekte entstehen. Das muss auch nichts mit dem Business zu tun haben. Da sind Kinderbücher geschrieben worden, da wird Yoga unterrichtet, da gibt es künstlerische Ausstellungen, Seminare… da passiert unfassbar viel.
Natürlich binden wir die Menschen auch anderweitig ein, etwa durch Nutzervertreter*innen, interne Agents und externe Berater*innen, die uns alle dabei helfen, miteinander in echtem Austausch zu sein.
Susanne Plaschka: Bei vielen Menschen kommt es derzeit zu verstärkten Ermüdungserscheinungen. Wie nimmst du das bei euch und um euch herum wahr?
Felix Bartels: Corona hat eine neue Dimension der Ermüdung geschaffen. Das ging mir persönlich so und das habe ich auch bei den Menschen gemerkt, mit denen ich arbeiten darf.
Ich glaube, die Ermüdung entstand vor allem durch die neue Geschwindigkeit und die ständige Erreichbarkeit auf unzähligen Kanälen. Bei vielen Unternehmen ist im Lockdown dann noch ein neuer Kanal für interne Kommunikation (z. B. MS Teams) hinzugekommen. Wir mailen, wir telefonieren, wir chatten, wir tauschen uns auf LinkedIn aus und benutzen noch zahlreiche weitere Plattformen und Apps. Gerade gegenüber dem Kunden gerät man schnell unter den Druck, sofort reagieren zu müssen. Wenn man heute drei Tage keine Antwort auf eine Mail erhält, ist das schon eine Ewigkeit.
Der Schlüssel, um damit umzugehen, ist, glaube ich, es anzusprechen. Auch zu ermutigen und zu akzeptieren, dass sich da jeder erst finden muss. Dass man sich als Team finden muss, dass ein Kollege, eine Kollegin sagen darf „Ich bin gerade davon gestresst“.
Susanne Plaschka: Und jetzt nach Corona – ist die Ermüdung noch da oder habt ihr einen Weg gefunden in die Balance zu kommen?
Felix Bartels: Mir scheint, wir haben die Übermüdung, die nach 2 Jahren Corona definitiv spürbar war, überwunden. Ein Grund dafür: Wir haben immer Präsenzkultur stark gefördert. Wir legen Wert auf reale Treffen und haben gemerkt, dass dabei mehr entsteht. Gleichzeitig sind die Menschen bei uns komplett frei, zu entscheiden, wie oft sie da sind. Gerade bei jungen Menschen können und wollen wir nicht von 100 % remote auf 0 % zurückdrehen. Das hat ja auch seine Vorteile.
Susanne Plaschka: Wie würdest du deinen eigenen Führungsstil beschreiben?
Felix Bartels: Ich versuche mit meinem Gegenüber so umzugehen, wie ich mir selber wünschen würde, dass mein*e Vorgesetzte*r mit mir umgeht. Coaching hat mir dabei geholfen, dieses Credo besser umzusetzen. Von meiner Familie habe ich die Hands-on-Mentalität mitbekommen und diese versuche ich einzubringen. Der Kern von dem, was ich machen möchte, ist gestalten und nicht herumreden.
Susanne Plaschka: Was gibt dir den notwendigen Ausgleich zu deinen Führungsaufgaben?
Felix Bartels: Zunächst einmal natürlich meine Frau und meine zwei Kinder. Die holen mich auf ein ganz anderes Level zurück. Außerdem liebe ich Bewegung in den Bergen, Wandern im Sommer oder Skifahren im Winter. Auch das Handy ausschalten und etwas mit den Händen machen – in meiner kleinen Werkstatt oder im Garten – das erdet mich.
Susanne Plaschka: Sicherlich gab es auch herausfordernde Zeiten, wo du nicht immer das richtige Maß an Ausgleich gefunden hast…
Felix Bartels: Ich bin früher zu weit über meine Stressgrenze hinausgegangen und habe nicht genug Wert auf eine gesunde Balance gelegt. Es passiert so leicht, dass man sich etwas vormacht. Aber Authentizität ist auch sich einzugestehen, wenn man sich zu viel aufgeladen hat. Ob in der Rolle der Führungskraft oder für das eigene Wohlergehen: Erst wenn man ehrlich zu sich selbst ist, kann man etwas ändern.
Susanne Plaschka: Animierst du auch deine Mitarbeiter, ehrlich zu sich zu sein?
Felix Bartels: Ja, vor allem zur Ehrlichkeit zu sich selbst, damit fängt es an.
Susanne Plaschka: Ehrlich zu sich selbst sein, dazu gehört auch sich Feedback von anderen zu holen. Wie holst du dir Feedback von deinen Mitarbeitenden?
Felix Bartels: Ich lege Wert darauf, viele persönliche Gespräche zu führen. Jede Woche gibt es zum Beispiel ein Kaffeedate – „Just Coffee“ heißt dieser Termin – mit Kolleginnen und Kollegen, mit denen ich sonst nicht so viel zu tun habe, häufig sind das Juniors am Anfang ihrer Karriere. Aber ich möchte die trotzdem kennenlernen und für sie ansprechbar sein.
Klassisch haben wir 4 mal im Jahr eine Mitarbeiter*innenbefragung, worin auch meine Leistung und Führung bewertet wird.
Susanne Plaschka: Und was du dort hörst, nimmst du auch an?
Felix Bartels: Wenn man Feedback fordert, muss man auch bereit sein, es anzuhören. Dazu gehört natürlich, dass ich selbst lernen muss, Feedback anzunehmen, es zu reflektieren und danach zu handeln. Es hilft mir in meiner Standortbestimmung.
Susanne Plaschka: Lebst du diese Ehrlichkeit auch im Feedback zu anderen?
Felix Bartels: Ich gebe mein Feedback wie ich es am liebsten bekomme – sehr direkt. Das darf auch nicht nur positiv sein, das gilt für beide Seiten. In meiner Art zu führen, gebe ich dem Menschen Verantwortung. Aber ich fordere auch, dass sie übernommen wird. Du darfst Fehler machen, aber wir sprechen über diese Fehler.
Susanne Plaschka: Eine Feedback- und Fehlerkultur?
Felix Bartels: Ja, anders wäre es bei uns gar nicht möglich. Fehler gehören dazu! Wenn du auf die Tanzfläche steigst, und nicht jede Bewegung sitzt, dann macht das nichts, aber Hauptsache du tanzt. Am Rand stehen und nicken, das ist nicht wie wir arbeiten wollen.
Feedback, Fairness und Respekt gehen für mich in beide Richtungen. Der Austausch ist ein wichtiger Motivationsfaktor und dazu gehört aber auch ganz wichtig: Gemeinsam zu feiern. Sowohl die Erfolge zu feiern als auch Fehler feiern, wenn man sagt, da haben wir echt viel draus gelernt.
Susanne Plaschka: Und was tust du, wenn jemand im Sinne von Überbelastung nicht aufhört zu tanzen?
Felix Bartels: Offen ansprechen. Das kommt meistens auch sehr gut an. Manche sind geschockt, manche streiten es ab, aber eigentlich, manchmal ist es zwei Tage später, danken sie für die Aufmerksamkeit, dass man sie in ihrer Belastung sieht!
Die Wortwahl macht da viel aus. Ich sage zum Beispiel „Ich nehme wahr, dass du gerade sehr hochtourig unterwegs bist. Ich möchte gerne noch lange mit dir zusammenarbeiten und es wäre sehr schade, wenn dein Engagement eine Grenze bei dir überschreitet. Wir sehen und schätzen dein Engagement, aber wie siehst du das denn?“
Susanne Plaschka: Was hast du als nächstes vor, oder was ist dir noch wichtig zu sagen? Vielleicht auch als Botschaft.
Felix Bartels: Mich in meiner Rolle als CMO noch genauer zu finden und dadurch mit tollen Menschen noch mehr zu gestalten. Das ist eigentlich mein größtes Vorhaben.
Susanne Plaschka: Was dahingehend ist dein nächster Schritt?
Felix Bartels: Ich arbeite zum Beispiel aktuell intensiv an meinem Social Media Auftritt. Das habe ich eigentlich bis vor einem Jahr fast gar nicht gemacht und ich war ehrlich gesagt auch der Meinung „Das machen schon so viele – ich arbeite lieber“. Das war ein Vorurteil. Mittlerweile glaube ich, das gehört zum Gestalten dazu. Eine Meinung haben und sie zu manchen Themen auch sagen müssen… sollen, dürfen. Damit Menschen zu erreichen, ins Gespräch kommen und wieder etwas bewegen.
Das war ein extern gerichtetes Beispiel. Wir sind eine immer noch stark wachsende Agenturgruppe. Da gibt es auch intern viel Bewegung und Change. Hier auch mit Coaches zusammenzuarbeiten hilft mir und meinem Team sehr bei der Kommunikation und der Orientierung miteinander. Ich bin total dankbar, wie die Menschen im Team die Veränderungen mitgehen.
Susanne Plaschka: Es geht eben immer weiter…
Felix Bartels: Und das ist es auch, was so viel Spaß macht. Wir wollen in Bewegung bleiben, Neues erleben und Neues gestalten. Als Agentur, als Teammitglied und als Führungskraft.
Susanne Plaschka: Vielen Dank Felix.
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