Lust aufs Führen


Lösungen zu aktuellen Herausforderungen in der Führung

Von Future-Trainerinnen Anita Hussl-Arnold und Birgit Schuler, die seit mehr als 30 Jahren Leadershipentwicklung in Unternehmen begleiten.

Küche geschlossen, Koch fehlt. Aus der Gastronomie kennt man solche Zustände schon lange. Nun machen viele Firmen in der Führungsebene eine ähnliche Erfahrung, dass offene Positionen mangels passender Kandiat*innen oder Nachfolger*innen schwer zu besetzen sind. 


Zwei Geschäftsführer eines stark expandierenden Technologieunternehmens erzählten mir kürzlich: „Wenige wollen noch in die erste Reihe, obwohl es viel Unterstützung gibt.“ Denn an der Spitze der Hierarchie zu stehen, Geld, Macht und gute Connections zu haben, sind heute keine ausreichende Motivation mehr, um Führungsaufgaben zu übernehmen.


Warum ist das so?


Es liegt nicht nur an den viel zitierten Lebensentwürfen der Generationen Y und Z oder der ständigen Exponiertheit von Führungskräften. Vielmehr geistert noch ein altes, langgedientes Bild von Führung durch unser Land: Eine Führungskraft müsse Fachexperte Nummer eins sein, ein extremes Stundenpensum bewältigen, sich immer vorbildlich verhalten, alle Erwartungen von Mitarbeitenden, Kunden und Stakeholdern erfüllen …

Das klingt nicht mehr wie Beruf oder gar eine Berufung, sondern wie Hochleistungssport – und das am besten noch 8 Tage in der Woche.


Es ist höchste Zeit, dass wir Führung nicht nur als Funktion, sondern auch als eine Haltung verstehen, die sich in vielen Lebenssituationen zeigt. Es braucht neue Rahmen, sowohl äußere als auch innere, welche Führen als attraktiven Teil der eigenen Lebensgestaltung erlebbar machen. Und es braucht kluge Leitfragen, die uns durch stürmische Zeiten navigieren. Drei Beispiele gelungener Führung möchte ich hier aufführen:



1) Visionär und bodenständig zugleich:
Die Nachfolgerin auf einem Bergbauernhof in Südtirol hatte ein Führungsbild, das geprägt war durch das harte Leben der Eltern. Große persönliche Opfer, geringer wirtschaftlicher Erfolg und kleine Gestaltungsspielräume. Kann man sich unter diesen Umständen eine Zukunft aufbauen?  Kann man da glücklich werden?

Sie weitete ihren Blick, suchte Gespräche mit anderen „Verrückten“ und entdeckte plötzlich viele neue Wege nach vorne. Ihr Hof wurde zu einer Oase der Nahrungsmittelproduktion für Körper, Geist und Seele. Genügend Mitarbeitende und auch Nachfolger stehen parat.

Ihre Leitfragen: Was habe ich? Was kann ich? Was will ich daraus machen?


2) Dem Perfektionismus zum Trotz:
Sportenthusiastische junge Männer und Frauen tagträumten von einem großen Segelprojekt – dem Ocean Race. In langen Gesprächen wurden Träume zu Ideen und langsam zur Realität. Die Möglichkeit, sich in ein Herzensprojekt einzuarbeiten, den Rahmen gestalten und probieren zu können, anstatt alles richtig machen zu müssen, weckten die natürliche Führungslust. Die Menschen im Team brachten den Leadern großes Vertrauen entgegen, auch wenn mal nicht alles nach Plan lief, und bildeten ein wärmendes, soziales Netz, welches den Führungskräften frischen Wind in die Segel blies.

Ihre Leitfragen: Wie können wir unsere Vision, Begeisterung und auch Fehler zulassen, um unser Ziel zu erreichen und wie können wir uns gegenseitig unterstützen?


3) Führung wieder loslassen

Der Vorstand einer Produktionsfirma erkannte, dass sein persönlicher Zenit im Unternehmen überschritten war. Er akzeptierte, dass es für jede Aufgabe einen Ort und einen Zeitraum gibt, wo persönliche Talente und Können einen riesigen Mehrwert erzeugen. Und dass danach die Zeit reif ist, weiterzugehen und sich neuen Aufgaben zu widmen.

Seine Leitfragen: Was kann ich jetzt bewirken und was loslassen? Wofür bin ich dankbar?


Die beste Phase für den eigenen Beitrag und für das eigene Loslassen zu finden, ist etwas, das insbesondere Führungskräfte über 50 beschäftigt. Deshalb möchten wir im nächsten Abschnitt tiefer darauf eingehen.


Ob Babyboomer oder Generation X, mit 50+ sind wir in einer Phase des Erwachsenenalters angekommen, in der sich das eigene Führungsverständnis und damit die Rolle und die Aufgaben im Unternehmen verändern wollen.


In dieser Lebensphase 50+ beginnen wir, uns nach Balance zu sehnen. Der Wunsch nach Ausgewogenheit in allen unseren Beziehungen, die Aufarbeitung alter Konflikte und das Bedürfnis, sich aus Systemen und Systemzwängen zu befreien sind entsprechende Symptome. Es kann dabei das Gefühl aufkommen, einen Schritt zurücktreten zu wollen.


Intuitiv wird spürbar, dass Aufgaben und Projekte, die wir bislang mit Freude und viel Engagement wahrgenommen haben, sich integriert haben. Wir beherrschen es zu managen, haben alle unsere Herausforderungen und damit verbundenen Entwicklungsziele erreicht und stellen plötzlich fest, das Interesse daran zu verlieren. 


Nein, keine Alterserscheinung und kein Erschöpfungszustand, sondern der natürliche Lauf der Dinge und damit kein Grund, an sich zu zweifeln oder an dem festzuhalten, was eigentlich nicht mehr passt.


Die intrinsische Motivation des Menschen verändert sich im Laufe des Lebens und damit auch die eigene Führungs-Kraft.


Unter Berücksichtigung dieses natürlichen Entwicklungsverlaufes könnte die Generation Führungskräfte 50+ einen ganz spezifischen Beitrag für Mitarbeitende und Unternehmen leisten, der aus einer neuen Haltung heraus entsteht:  


Wertvolle Beiträge:

  • Meine Aufmerksamkeit liegt darauf, meine Erfahrungen weiterzugeben, statt das Zugpferd zu sein. Ich gebe denjenigen den Raum und die Unterstützung, die die Verantwortlichen der Zukunft sein werden 
  • Ich trete etwas zurück, da ich nichts mehr erreichen und beweisen muss
  • Ich verstehe, dass einer meiner besten und wichtigsten Beiträge darin besteht, die Jüngeren zu unterstützen, erfolgreich zu sein, statt mit ihnen wetteifern zu wollen
  • Ich erkenne, dass meine Innovationskraft nicht mehr jene Kraft ist, die die Zukunft des Unternehmens ausmachen wird
  • Ich akzeptiere, dass wir die Zukunft nicht mit den Methoden und Werkzeugen der Vergangenheit stricken sollten – die Bedarfe der Zukunft andere sind
  • Ich gestehe mir zu, dass mich der Sinn der Dinge mehr interessiert als die Macht über sie
  • Ich fühle mich absolut zufrieden und geborgen in meinem Selbst und schaue auf mein erfülltes Wirken
  • Ich gehe mit meiner Aufmerksamkeit mehr auf das, was durch mich in die Ordnung gebracht werden kann
  • Ich bin neugierig auf das Potenzial in mir, das sich weiter entfalten möchte und fähig, das loszulassen, was es nicht mehr braucht
  • Ich bin offen für das, was jetzt ansteht und schaffe ihm den geeigneten Rahmen 

Aus dieser Haltung entsteht ein Fluss im Gesamten; aus dem plötzlich Alten wird etwas, das sich in ein Neues hineinentdecken kann. Jede Generation kann zum richtigen Zeitpunkt die ihrer Lebensphase entsprechende Wirkung erzeugen.


Fazit

Unsere Haltungen bestimmen unser Handeln, sei es als Mensch im Privaten oder als Führungskraft. Wenn wir Ansätze wählen, die uns nähren, beziehen wir und unser Umfeld daraus Kraft für die Gegenwart ebenso wie große Motivation für die Zukunft. Ungeachtet dessen, welche Herausforderungen sich zeigen, werden wir dann einen der schönsten Aspekte unserer Tätigkeit erleben dürfen: Unsere Fähigkeit und Lust aufs Führen.


Eine Gelegenheit zur Selbststärkung sind übrigens die FUTURE Leadership-Trainings. Sie lernen darin wirkungsvolle Methoden, entfalten Ihre Möglichkeiten und entwickeln zukunftsfähige Haltungen des Führens.


Über die Autorinen:

Anita Hussl-Arnold und Birgit Schuler sind Future-Trainerinnen und Expertinnen der Leadershipentwicklung mit über 30 Jahren internationaler Erfahrung.

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