und sie bewegen sich doch …
Kurt ist Ausbilder in der überbetrieblichen Lehrlingsausbildung für Schlosser. Er ist ein begeisterter Mann um die 50, der sich zum Ziel gesetzt hat, die Burschen, die sich schwer tun in der Lehre, aber auch im Leben, fit zu machen für den Job. Doch so einfach geht das nicht, wie er es sich vorgestellt hat. Ein wenig verzweifelt berichtet er: „Ich weiß nicht, was ich tun soll, die Jugendlichen heute bewegen sich nicht weiter! Die werden wohl nie selbständig. Jetzt gebe ich Ihnen eh alles vor, die müssen ja schon nix mehr denken, ich lege die Latte extrem niedrig an, und die werden immer laxer und fauler.“ Er selbst ist in einer Zeit aufgewachsen, wo man selbstverständlich das gemacht hat, was einem der Lehrherr vorgegeben hat, nicht mehr und nicht weniger. Das hat damals gut funktioniert! Und heute? Warum funktioniert das heute nicht mehr?
Herausforderungen motivieren und schweißen zusammen
In der Seminarreihe „FUTURE-Leadership-Training für Ausbilder“ findet er Leidensgenossen. Wir schauen uns gemeinsam an, welche Grundprinzipien da zur Wirkung kommen, was die Barrieren sind, aber auch welche Momente gewesen sind, wo die Burschen von sich aus tätig geworden sind:
„Also ich gebe meinen Jungs schwierige Aufgaben, die einer alleine nicht schafft. Das geht nur, wenn sie zusammenhelfen“, bringt sich Egon ein, Ausbilder bei den Pflasterern. „Ich gebe ihnen das Ziel vor, z.B. sollen sie sich gemeinsam überlegen, wie sie den unebenen Vorplatz eines Gemeindeamtes gestalten können und wie sie dann diesen Plan auch umsetzen können. Gemeinsam heißt bei mir ein kleines Team von 6-8 Lehrlingen aus allen 3 Lehrjahren. Das geht gut! Da können die vom 3. Lehrjahr den jüngeren was erklären und ihre Erfahrungen einbringen. Sie erleben sich besonders wichtig und wachsen um einige Zentimeter. Die Jungen lassen sich von den älteren Lehrlingen auch was sagen, zu denen schauen sie auf. Also zuerst bekommen sie Klarheit über das Ziel und dann die wichtigsten Informationen und Know-how, etwa was zu berücksichtigen ist, welche Abläufe Sinn machen, Hintergrundwissen über Materialien und Handhabung von Maschinen, die zum Einsatz kommen. Ich biete mich als Joker an, wenn sie nicht mehr weiterwissen. Da fahren die so richtig hoch, weil sie mir beweisen wollen, was in ihnen steckt. Zum Schluss feiern wir den Sieg mit „Give me five“.
Ziel ist eine wertschätzende Gemeinschaft
- Warum hat Egon Erfolg? Was sind da die Erfolgskriterien? Aus der Hirnforschung wissen wir, dass der Mensch immer dann motiviert ist, von sich heraus tätig zu werden, wenn er spannende, herausfordernde Erlebens- und Erfahrungsräume hat, in denen er seine Stärken einsetzen kann und kreativ werden muss, um Herausforderungen zu meistern. So wie bei Egon, der seinen Jungs besonders schwierige Aufgaben gibt, wo sie gefordert sind und all ihre Stärken „auspacken“ müssen, um Erfolg zu haben. Den Erfolg feiern sie – das macht sie mächtig stolz! In diesen Erlebensräumen kommen sie an ihre Grenzen, die müssen sie überwinden. Um zum Ziel zu kommen, müssen sie sich überlegen, welche Lösungswege es gibt, und vor allem wollen sie ihrem Lehrherrn beweisen, was in ihnen steckt. Dies gepaart mit
- einer wertschätzenden Gemeinschaft, wo sich jeder wichtig und richtig erlebt, verstärkt den Erfolg. Egon lässt seine Jungs Herausforderungen gemeinsam angehen. Jeder in dieser Gemeinschaft hat individuelle Stärken, wie Disziplin, Strukturiertheit, handwerkliche Fähigkeiten, Organisationsstärke oder die Fähigkeiten, den Überblick zu bewahren oder Leichtigkeit in eine Gruppen zu bringen, uvm. Und jede dieser Stärken kommt zum Tragen, egal in welchem Lehrjahr die Buben sind. Egon schaut drauf, dass Wertschätzung auf allen Ebenen gelebt wird – er lebt seinen Slogan „Alles hat seinen Platz und jeder ist für das Gesamte wichtig“. Bei Konflikten unterstützt er als Mediator und nicht als Richter.
Lehrlinge wünschen sich Mut machende Vorbilder
Manu, Ausbilder im Strassenbau, erzählt, dass er sich viel Zeit nimmt für seine Burschen. Sie sitzen gerne beisammen und da erzählen die Burschen von ihren Mädels, von ihren Nöten und Sorgen, ob mit den Eltern, Kollegen oder eben mit dem weiblichen Geschlecht. Daneben machen sie auch immer wieder einmal etwas zusammen, gehen kegeln, Kart fahren; einmal sind sie auch gemeinsam auf einen Berg gegangen. Die Burschen finden Manu echt cool! Er fährt a super Maschine, schaut cool aus mit seinen Muckis und hat einen spitzen Humor. Er versteht die Welt der jungen Männer, war er selbst ja auch so ein „Che Guevara“, der sich für alles stark machte, aber auch wusste was er wollte und was Sache war. Manu kann sich gut an seine Jugend erinnern und erzählt davon lachend Geschichten, wo die Lehrlinge an seinen Lippen hängen.
Was ist nun sein Erfolgskriterium?
Er ist ein sehr wertschätzendes, begeistertes, Mut machendes Vorbild. Er weiß, was er will, und versteht die Burschen in ihrer Situation. Sie wiederum fühlen sich von ihm verstanden und schätzen seine positive Lebenseinstellung, die ihnen auch Mut macht, wenn einmal etwas nicht so klappt, zum Beispiel mit Mädchen. Ergänzt wird dieses „Paket“ durch seine Gelassenheit, seine Klarheit und seine Geradlinigkeit. Sie ist gepaart ist mit einem ordentlichen Schuss Toleranz, wo Fehler als Entwicklungsschritte gelten und daher als solche willkommen sind. Die jungen Menschen werden ernst genommen und kooperieren daher gerne mit ihm.
Auf der Suche nach dem Sinn
Alois ist schon ein alter Haudegen in seinem Beruf. Er ist bereits 60 Jahre alt und Ausbilder bei den Elektrikern. Er erzählt: „Wisst´s, ich bin schon so lange im Beruf, hab schon vieles erlebt und es gibt kaum mehr was, das mich erschüttert. Ich frag auch nicht mehr, was ist richtig oder falsch, was ist gescheit oder nicht, sondern ich frag mich, was SINN macht. Viele Wege führen zum Ziel und nicht jeder Weg ist für jeden tauglich. Ich kann den Burschen eh nicht die Welt erklären, sie müssen selbst die Erfahrungen machen. Ich sag den Meinen immer, wozu wir was tun, was der Grund ist, warum wir das genauso und nicht anders machen, das verstehen die! Und dann lass ich sie, das ist oft nicht leicht, wenn ich sehe, dass sie Irrwege gehen. Am Ende der Aufgabe schauen wir uns gemeinsam an, was funktioniert hat und was nicht. Die checken schnell! Bei uns ist ja Ordnung immer wieder einmal Thema. Jeder hat seinen Rollwagen bzw. seinen Koffer mit dem Werkzeug. Naja, mit der Ordnung haben sie es nicht und so legen sie das Werkzeug immer wieder woanders hin. Also habe ich Ihnen einmal davon erzählt, was die Vorteile, aber auch die Nachteile sind, wenn man sein Zeug nicht beisammen hat. Dass man dann einen Arbeitsprozess unterbrechen muss, dass es gefährlich sein kann, wenn sie Arbeitsprozesse nicht ordentlich abschließen und sie vielleicht vergessen haben, eine Leitung ordnungsgemäß abzukappen. Ich kann sie nur immer wieder erinnern, nicht jammernd oder belehrend. Das hilft. Auch bekommen sie genug Rückmeldung von ihren eigenen KollegInnen.“
Den Beitrag, den Alois stiftet, ist SINN geben.
Antworten kommen aus der Hirnforschung
Die Menschen, vor allem die Jungen der heutigen Zeit, wollen Sinn haben, Sinn stiften und den Sinn hinter den Dingen und Aufgaben erkennen. Sie wollen wissen, wozu sie etwas tun. Verstehen sie dieses „Warum“, dann steigt ihre Motivation. Alois gibt jedem seiner Burschen die Möglichkeit, Sinn zu stiften für andere. So erzählt er von Andreas, der der Capo ist bei seinen Jungs und anfangs dies auch manipulativ zu seinem Nutzen ausgelebt hat. Er ließ ihn verstehen, dass er Führungsqualität hat und es mehr Sinn macht, diese Stärke für die Schwächeren einzusetzen. So hat er ihm Mentor sein lassen für Lehrlinge, die eher ängstlich sind und sich nicht trauen, aus ihrem Schatten herauszutreten. Andreas wurde mehr und mehr als Capo angesehen, der „wirklich stark“ ist, und nicht nur einer, der so tut als ob.
Was zeigt sich in all den Erfolgsgeschichten? Die Hirnforschung gibt uns Hintergründe dafür. Gerald Hüther, einer der bekanntesten Vertreter, erklärt in seinen Vorträgen sehr anschaulich, wie das menschliche Hirn funktioniert und was der Mensch braucht, damit er von sich aus motiviert ist und proaktiv die Dinge in die Hand nimmt. Vier Faktoren sind die Basis von Lernen und Erfolg:
- Mut machende, selbst begeisterte, inspirierende Vorbilder, die Richtung geben und an die Fähigkeiten der Jungen glauben.
- Lern- und Erlebnisräume, in denen die Jungen sich ausprobieren können, selbst neue (ihre) Wege erkunden können, wo sie Fehler machen können und diese auch korrigieren und dabei neue Fähigkeiten aufbauen.
- Eine wertschätzende Gemeinschaft, in der die Menschen sich als angenommen und wichtig erleben.
- Und schlussendlich das Erkennen von Sinn! Sich selbst sinnvoll erleben für andere, den Sinn hinter den Dingen erkennen und Sinn für das Ganze zu stiften.
Vom Ausbilder zum Coach
Am Ende der Seminarreihe erzählte uns Kurt, dass er so glücklich ist über seine innere Wendung. Er hat seine Aufgabe nun umgestellt und sieht sich eher als fördernder Coach als als Trainer, der die Jungs „wohintrainieren“ muss. „Da musste ich vieles vom Seminar erstmal ausprobieren, manches hatte gleich eine Wirkung, anderes nicht so schnell. Ich war skeptisch, ehrlich gesagt, doch die Beziehung zu den Lehrlingen hat sich maßgeblich verbessert. Nun erlebe ich mehr Spaß und Freude, aber auch mehr Erfolge! Ich bin so stolz auf meine Jungs.“ sagt er mit Tränen in den Augen, „in denen steckt so viel, ich sehe das ja schon, wenn sie es noch nicht sehen. Es macht richtig Spaß und Freude, diese Potentiale aus ihnen „herauszukitzeln“.
Marlies Dangl
Arbeitet als FUTURE-Trainerin und ausgebildetete Pädagogin seit über 20 Jahren mit jungen Menschen und deren Begleitpersonen. Im Rahmen der stärkenorientierten Lehrlingsausbildung unterstützt sie gemeinsam mit den FUTURE-Trainern Lisa Canal, Marie-Therese Heep, David Schneider und Anja Zisak Unternehmen in der Umsetzung eines ganzheitlichen Ausbildungskonzepts, das Ausbildner, Lehrlinge und Unternehmen voranbringt.
Ganzheitliches Konzept zur Ausbildung von jungen Menschen
Die stärkenorientierte Lehrlingsausbildung setzt bei Ausbildern und Lehrlingen zugleich an.
FUTURE bietet ein ganzheitliches, stärkenorientiertes und praxisnahes Konzept, das Lehrlinge, Ausbilder und das Unternehmen gemeinsam voranbringt. Es wurde aus der Praxis mit Unternehmensentwicklern, Pädagogen und ausbildenden Unternehmen auf Basis der Hirnforschung, Grundprinzipien der Menschenführung und ganzheitlichem Coaching entwickelt und besteht aus folgenden Angeboten:
- FUTURE-Leadership-Training für Ausbilder
- „Ich check mein Leben“ für Lehrlinge und Azubis
- Beratung, Entwicklung und Umsetzungsbegleitung einer attraktiven Unternehmenskultur für Ausbildungsbetriebe
Wir bieten ein multiprofessionelles Expertenteam, das mit Ihnen gemeinsam ein für Sie maßgeschneidertes Konzept für Ihr Unternehmen entwickelt und Ihnen bei der Durchführung stärkend und inspirerend zur Seite steht.
Weiterbildungsmaßnahmen werden stark gefördert
Aktuell werden in Österreich Weiterbildungsmaßnahmen für Lehrlingsausbilder und Lehrlinge bis zu 75% durch die öffentliche Hand gefördert. Unsere Angebote sind geprüft und bundesweit förderfähig.